#fraugründet: Chocolaterie Molina

Französische Chansons im Hintergrund, die Wände in Rosé gehalten, Blümchen, Biedermeier-Mobiliar. Dazwischen: Linda Gahn-Becker mit schwarzer Schürze und schwarzer Kochmütze. Sie spricht freundlich mit tiefer, rauchiger Stimme. Ein in seinem Kontrast geradezu perfekt abgestimmtes Ensemble.

Mainfrankens Schokoladen-Matriarchat

Die Chocolaterie Molina in Schweinfurt direkt am Zeughaus läuft prima (wir berichteten im aktuellen Gründermagazin); kein Wunder: Linda gründete das erste Mal vor 16 Jahren und weiß sehr gut, was sie tut. Mit Monika Schmidt, zuständig für das Café und den Laden, startete die Gießenerin in Schweinfurt noch einmal neu; nicht aus Misserfolg, sondern aus purer Unternehmungslust. Zusammen rocken sie die Schoko-Manufaktur mit Café, die Chocolaterie Molina.

Männerdomäne geknackt

Was beim Kaffeebesuch buchstäblich allzu rosig wirkt, birgt eine Geschichte von Wagnis, Rückschlägen und auch Diskriminierung, die Linda zwar beeinflussten, sie aber nicht entmutigten.

schokotrüffel und heiße trinkschokolde auf dem tisch

Es fängt damit an, dass es nur eine Handvoll Chocolatiers in Deutschland gibt, das auch erst seit den frühen 2000ern, darunter noch weniger Frauen im Business – Linda ist eine davon. Gerade in Frankreich und Belgien sind die traditionellen Maîtres-Chocolatiers in den allermeisten Fällen Männer, die – wie in den meisten Berufen in Männerhand – Frauen kritisch, wenn nicht gar von oben herab beäugen. Umso erstaunlicher, dass Linda mit einer eigens erstellten schmelzenden Uhr à la Dalí („Die Beständigkeit der Erinnerung“) von einem belgischen Maître hochgelobt wurde.

„Es macht mich wütend, dass man einer Frau nichts zutraut!“

Im Alltagsgeschäft erlebt sie keine Ungleichbehandlung – ihrer Kundschaft sei es egal, ob ein Mann oder eine Frau die Aufträge erledigt, solange die Qualität stimmt. Pralinen und andere Schokoladenprodukte kann sie aus dem FF und aus dem Handgelenk; Linda Gahn-Becker sticht aus der Masse hervor in der individuellen Betreuung und Auftragsabwicklung ihrer Kundschaft. Tischkarten mit Fisch aus Schokoloade zur Kommunion, ein Dankeschön für einen Nierenspender, das Höhenmeter der Radtour nach Oslo – dafür gibt es keine Vorlagen, die Ideen kommen Linda in der Kommunikation mit ihren Kunden und während der Anfertigung der Schokolade nach Maß. Wer ihre Arbeit kennt, der schätzt ebendiese hoch.
Von einem Rohstofflieferanten bekam sie einmal ein ehrfürchtiges ‚Chapeau‘, hätte er doch nicht gedacht, dass sie es schaffen würde.

Die Schwierigkeit liegt für sie in der Freien Wirtschaft; dort, wo sie nicht die begnadete Chocolatière ist (auch wenn sie sich selbst die maskuline Form ‚Chocolatier‘ zueigen gemacht hat, denn Frauen in dem Job gab es bis vor Kurzem, wie wir wissen, noch nicht, somit auch nicht die Berufsbezeichnung), sondern in den Situationen, wo sie als Gründerin, als Unternehmerin auftritt. So vor allem bei der Kreditvergabe auf der Bank.

„Es macht mich wütend, dass man einer Frau nichts zutraut! Wir müssen ein absolut gutes Rating darlegen, um überhaupt an Geld zu kommen – als Gründerinnen! Eine Gründung birgt eben Risiken. Die strenge Handhabe ist frauenspezifisch, das weiß ich mittlerweile aus 16 Jahren Erfahrung.“

Linda Gahn-Becker

Immer habe Linda Häuser selbst angekauft (auch die Immobilie in Schweinfurt gehört ihr und Monika), stets habe sie alles selbst erledigt, sie kenne sich mit dem allem sehr gut aus. „Es ist unglaublich“, schüttelt sie den Kopf.

#fraugründet und antwortet:

Die Frage nach einer tatsächlichen oder gefühlten Ungleichbehandlung als Frau hat Chocolatier Linda schnell selbst beantwortet.

Ob sie als Mann heute (wo)anders wäre, kontert sie mit einem Lächeln:

„Als Mann wäre ich ein unglaublicher Draufgänger. Männer sind forscher, wenn es um Gelder geht, auch unter Selbstständigen.“

Linda Gahn-Becker

Die vielgestellte und oft gehasste Frage an Frauen, wie es denn mit ihrer familiären Situation aussehe (intentionell oft im Vornherein ein Manko unterstellend) kennt sie mit 54 nicht. Sie denkt, dass Frauen wegen der noch immer vorhandenen Doppelbelastung häufig danach gefragt würden, was gerade mit Kind(ern) häufig so ist. Das erfordere unglaublich viel Organisationstalent, weiß Linda aus der Erfahrung einer alleinerziehenden Mutter einer Tochter, die immer gearbeitet hat – und zwar nicht aus Langeweile, sondern, um zu überleben, wie sie betont.

#fraugründet und wünscht sich …

„… dass Frauen generell ernster genommen werden, als tatsächliche Geschäftspartnerinnen, als echte Unternehmerinnen gesehen werden; sprich von Banken etc. Von Kunden muss ich mir das nicht wünschen.“

Linda Gahn-Becker

Mit der Erinnerung an den Geschmack der herrlichen heißen Schokolade auf den Lippen empfehlen wir euch die Lektüre des Artikels über die Chocolateria Molina im Gründermagazin Mainfranken, wo Lindas Start-up aus einer ganz anderen Perspektive beleuchtet wird.

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Rebecca Hümmer
Rebecca Hümmer betreibt seit 2015 die Agentur hümmer kommunikation in Würzburg. So kann sie sich selbst gut in alle Themen rund um das Gründen hineinfinden und darf regelmäßig hier auf Gründen@Würzburg bloggen.
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