#fraugründet: Unverpackt Würzburg
Der kleine Laden in der Sanderstraße, gleich an den Straßenbahnschienen, besticht nach außen nicht etwa durch Neonreklame. Eine unaufdringliche Beschriftung am Schaufenster lässt dann aber keine Fragen offen: „Unverpackt Würzburg“ steht da, bekrönt von stilisierten Gläser mit Lebensmittelvorräten darin.
Mutiges Einkaufskonzept ohne Verkaufsmasche
Ebenso unaufdringlich geht es drin weiter: Susanne Waldmann ist die Inhaberin des in der Stadt einzigartigen Ladens; seit 2017 Gründerin eines Geschäfts im Einzelhandel. Trotz der relativ kleinen Grundfläche, auf der sich ein riesiges Produktsortiment befindet, erzeugt der Laden keine bazarhafte Grabbeltisch-Atmosphäre. Aus eigener Erfahrung können wir sagen, dass man sich als neugierige*r Besucher*in durchaus ungestört und ohne Beratungszwang umsehen kann. Susanne werkelt im Laden vor sich hin, bietet Hilfe an, zwingt sie einem aber nicht auf.
Nachhaltiges Konzept
Über den Laden selbst ist schon viel veröffentlicht worden, so auch im Gründermagazin Mainfranken, wir fassen kurz zusammen:
Alle Produkte im Laden sind unverpackt. Daher natürlich der Name „Unverpackt Würzburg“. Susanne Waldmann setzt auf Nachhaltigkeit, Saisonalität, Regionalität und Fairness beim Ein- und Verkauf. Einen sozialen Benefit setzte sie noch obendrauf: Mit den Soli-Talern (ein Glas voller Spenden und Trinkgeld) können auch jene, die sich sonst kein „Bio“ im weitesten Sinne leisten könnten, bei ihr einkaufen.
Nachgefragt bei #fraugründet:
Siehst du eine Ungleichbehandlung oder sogar Ungerechtigkeit gegenüber Männern aus deiner Perspektive und ggf. in deiner Branche?
Susanne hätte keine schlechten Erfahrungen gemacht, sagt sie. Es sei ihr erstes Geschäft und sie wäre stets gut beraten worden. Nur der Bankkredit ging nicht ganz reibungslos über die Theke, was, wie sie denkt, mehr an der Skepsis gegenüber der Branche als an ihr als Frau läge, denn sie habe immer auf Augenhöhe verhandeln können.
„In der Biobranche gibt es viele Frauen, daher bin ich nicht aus der Reihe gefallen und hatte immer viel mit anderen Frauen zu tun.“
Ein Vorteil fällt ihr dazu aber noch ein: Susanne ist nach eigener Aussage „muskelmäßig im Vergleich zu Männern nicht so gut aufgestellt“, weswegen ihr Lieferanten anscheinend öfter mal beim Anpacken von ganz schweren Dingen helfen. „Bei einem Mann würden die sich vielleicht an den Kopf tippen und sagen: ‚Hol‘ doch deine Palette selbst‘.“
Wärst du als Mann heute woanders?
„Ich wäre heute als Mann garantiert woanders, weil ich eine andere Sozialisation erlebt hätte und weil ich sicher ernster genommen würde, wenn ich Ideen habe;
Frauen mit Ideen – die spinnen halt. Männer mit Ideen sind Visionäre.“
Als Frau eben beschäftigt sie sich schon schon seit über 30 Jahren mit Nachhaltigkeit und ist so dort angekommen, wo sie jetzt ist: Die Besitzerin eines erfolgreichen nachhaltigen Lebensmittel-Geschäfts mitten in Würzburg.
Wie fändest du es, wenn wir dich jetzt nach deiner familiären Situation, z. B. ob du Kinder hast, fragten?
Jetzt stünde die Frage eher selten im Raum, weil selten über ihr Privatleben gesprochen würde, sagt Susanne. Im Businessplan wäre die Kindersituation allerdings schon ein Thema gewesen.
„Männer fragt niemand, wo denn gerade ihr Kind sei.“
Susanne ist alleinerziehend, hat drei Kinder, das kleinste ist erst zehn Jahre, und musste zum Beispiel erklären: Was ist, wenn das Kleine krank wird? Eine Frage, die wohl wenige Männer beantworten müssen.
Susanne weiß sich jedoch zu helfen: Sie hat das klassische Tante-Emma-Laden-Bild als Ideal vor Augen, ihr Jüngstes ist oft im Laden anzutreffen.
„Familie und Beruf gehen sowieso Hand in Hand – ein gutes Leben ist ein Leben, das nicht trennt zwischen Arbeit und Familie.“
#fraugründet und wünscht sich …
„Generell wünsche ich mir ein Wirtschaftssystem, in dem alle fair und gut leben können und dass die Leute sich von dem Gedanken verabschieden, dass alle maximal verdienen müssen.“
Susanne Waldmann geht es mit Unverpackt Würzburg darum, dieses Ideal zu erfüllen.
„Ich lebe bescheiden. So bescheiden, dass ich bei der GLS-Bank keinen Kredit bekommen habe, weil ich von ‚zu wenig‘ lebe.“
Sie wünscht sich, dass sich Institutionen in alternative Lebenskonzepte hineinversetzen.
Vielen Dank, Susanne, für das offene und sympathische Gespräch. Wir packen die Brotdosen und machen uns auf den Weg …
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